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Im Rahmen des von Prof. Peter Lampe, Heidelberg, geleiteten siedlungsarchäologischen Surveys in Phrygien konnten die lange verschollen geglaubten Hauptorte des christlichen Montanismus, Pepouza und Tymion, wiederentdeckt werden. Auch andere der wissenschaftlichen Welt bislang unbekannte Siedlungsplätze konnten neu entdeckt, exploriert und identifiziert werden (u.a. Simoe).

Nach Pepouza und Tymion suchte die Forschung seit dem 19. Jh. Sie waren die Zentralorte einer charismatisch-ekstatischen christlichen Bewegung des 2.–6. Jh. n. Chr., die sich als Kirche der „Montanisten“ von Phrygien aus im gesamten Römischen Reich ausbreitete, jedoch in Pepouza ihren Hauptsitz und ihr wichtigstes Wallfahrtszentrum besaß. Dort residierte der Patriarch der Montanisten. In Pepouza und Tymion erwarteten sie den Anbruch naher Endzeitereignisse, v.a. die Herabkunft des „himmlischen Jerusalem“. Frauen konnten in der montanistischen Kirche bis ins Priester- und Bischofsamt aufsteigen.

Ein interdisziplinäres Projekt

Inschrift aus der Zeit von Septimius Severus, in der Tymion erwähnt wird. Die Montanisten erwarteten, dass das himmlische Jerusalem auf Tymion und Pepouza sich herabsenken werde.

Als interdisziplinärer siedlungsarchäologischer Regionalsurvey (modernisierte Transektmethode) angelegt, erfasst das Projekt eine gesamte Kulturlandschaft im Süden von Uşak (Türkei) in all ihren kulturgeschichtlichen Zeitstufen – von der jungsteinzeitlichen bis in die osmanische Zeit hinein.

Nicht nur werden wie bei traditionelleren Surveys antike Siedlungsplätze erforscht, sondern auch deren weitere Umgebung, die antiken Verkehrs- und Bewässerungswege, die antike Landnutzung, das Verhältnis von menschlicher Siedlung und „natürlicher“ Umwelt. Nicht zuletzt werden deshalb neben z.B. archäologischer und geologischer Beschreibung auch Paläobotanik und Phytogeographie wichtig.

Der Survey versucht damit, einen Beitrag zum Verständnis der auf weite Strecken noch unerforschten Lebensbedingungen der antiken Landbevölkerung Phrygiens zu leisten, einen Beitrag, der sozial- und wirtschaftsgeschichtliche, aber auch religionsgeschichtliche Ergebnisse zeitigt.

Die Leitfragen aus letzterem Bereich lauten: Wie entwickelte sich die polytheistische Religiosität der Landbevölkerung hin zum Monotheismus, erst in judeo-christlicher, dann islamischer Prägung? Wieso verbreitete sich gerade im „Hinterland“ des Römischen Reichs der radikale Monotheismus des sog. „Montanismus“ so rasant? Während das urbane antike Christentum relativ gut erforscht ist, fehlt Vergleichbares bislang für den ländlichen Sektor. Speziell für den im Untersuchungsgebiet prominenten christlichen „Montanismus“ können mit dem Survey archäologische Zeugnisse mit antik-literarischen Quellen fruchtbar korreliert werden.

Rekonstruktionen und Untersuchungen

Da vom anvisierten Teil Phrygiens südlich von Uşak nicht einmal befriedigende Karten vorliegen, leistet der Survey umfangreiche Kartographiearbeiten. Ferner werden virtuelle dreidimensionale Rekonstruktionen charakteristischer Siedlungsstrukturen vorgenommen.

Zur Siedlungsarchäologie gehört, dass in einem vermessenen Raster die Oberflächenkleinfunde (v.a. Keramik, Glas, Metallgegenstände usw.) abgesammelt und bestimmt werden. Gerade die Keramik der Region ist weitgehend unerforscht. Daneben spielt die Epigraphik eine Rolle.

Die oberirdisch vorhandenen Siedlungsstrukturen werden archäologisch dokumentiert. Über unterirdische Strukturen geben geophysikalische Prospektionen (mittels Geomagnetik und Bodenradar) wertvollen Aufschluss. Dank der Geophysik werden ohne Eingriffe in den Boden an vielen Stellen spätere Ausgrabungen überflüssig. Nur wo die geophysikalische Prospektion nicht ausreicht, werden Sondierungsgrabungen geplant.