Veröffentlicht im Dezember 2021-Kategorie: Programm-

‚In God we trust‘ bekennt die Dollarnote. ‚In numbers we trust‘ scheint indes zur Selbstverständlichkeit geworden zu sein. Denn die Zahl zählt, und auf Daten setzen wir dauernd: im Navi wie in der Verwaltung, in Controlling und Evaluationen, in Wissenschaft wie Kirchen. Während sich Wort und Bild noch um ihr Verhältnis streiten mögen, hat die Zahl längst die Deutungsmacht übernommen: Was zählt ist, was sich zählen lässt – in Quoten, Bilanzen, Auslastungen, Optionen und ‚Fakten‘. Im Medienwandel sind die analogen Medien von Wort und Bild längst von der Zahl überholt worden. Und das ist oft auch ‚sehr gut‘ so. Denn wer möchte beim Navi stets nach Vertrauenswürdigkeit fragen müssen?

Nur was sich rechnet, sei von Belang, darf werden, sein und bleiben. Dieser effiziente Seinsgrundsatz ist so selbstverständlich wie prekär. Denn er kann blind machen für die gegenläufige Selbstverständlichkeit: Gerade was sich nicht rechnet, ist von Belang, Freundschaften oder Engagement, Glaube wie Liebe und alles, wovon wir letztlich leben. Kaum sagt man das, meldet sich der Einwand, auch all das würde sich ja letztlich doch rechnen, wenn auch verzögert. Und schon hat man das Sich-Rechnen ausgeweitet auf alles Mögliche und in seinem Licht Unmögliche. Darin zeigt sich die Deutungsmacht der Zahl und des allzu effizienten Seinsgrundsatzes. 

Auf Zahlen verlassen wir uns, vielleicht öfter als nötig. Aber Zahlen vertrauen wir nicht – oder doch? Ist die Differenz von Verlassen und Vertrauen längst überholt? Sind Computer, Programme und Algorithmen vertrauenswürdig oder bestenfalls verlässlich? Hier zu unterscheiden ist nötig, um eine wesentliche Differenz nicht zu verwischen. Digitale Verhältnisse sind bestenfalls verlässlich, aber nicht vertrauenswürdig. Daher sollte man Vertrauensverhältnisse und ‑probleme auch nicht durch möglichst gesicherte Verlässlichkeiten umbesetzen. Wenn dem Vertrauen nicht mehr vertraut wird, sondern möglichst alle Verhältnisse verlässlich und berechenbar sein sollen, wird es nicht nur in Kirchen prekär. ‚In numbers we trust?‘